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Kultur im Wandel - "Westpfälzer Musikanten"

Verantwortlicher Autor: Karl J. Pfaff Kusel/Kaiserslautern, 18.08.2019, 16:52 Uhr
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Kusel/Kaiserslautern [ENA] Die Landkreise Kusel und Kaiserslautern haben sich im vergangenen Jahr gemeinsam im Förderprogramm TRAFO beworben. Diese Initiative entspringt der Kulturstiftung des Bundes. Im Mittelpunkt steht das Westpfälzer Musikantenland - die Musik und das Wandermusikantentum- als verbindendes Element in dieser Region. Die Schicksale der damaligen Zeit ähneln stark heutigen globalen Wanderungsbewegungen.

Im 19. Jahrhundert setzte das Wandermusikantentum ein, das seinen Ursprung in den schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse hatte. Die Männer zogen in Gruppen zwischen 5 und 15 Personen ins Ausland um durch Musikmachen ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Meist hatte man feste Engagements in Kurhotels oder in Strandbädern, teilweise zog man zu Beginn des Wandermusikantentums auch mit Gauklern umher. Engagements als Zirkuskapelle waren auch möglich. Zu Beginn zog man nach Frankreich, Belgien, Holland und der Schweiz. Nach dem Krieg 1870/71 ging es dann nicht mehr nach Frankreich, sondern verstärkt nach Osteuropa.

Erst Mitte der 80-er Jahre wagte man die Reise nach Amerika. In Amerika reiste man auch mit den Vergnügungsdampfern auf den großen Flüssen. Noch vor der Jahrhundertwende sind annähernd alle Länder der Erde als die Reiseziele der Musikanten zu nennen. Südafrika, Australien und Südostasien waren keine Seltenheit. Die Abwesenheit von der Heimat war unterschiedlich lang, so eine Amerikareise etwa zwanzig Monate. Die Reise nach Australien konnte mitunter bis zu fünf Jahren dauern. Im europäischen Ausland blieb man meist nur neun Monate lang. Die Wandermusikanten pflegten eigene Stammes- und Spracheigenschaften, eigenes Brauchtum und eigene Tracht. Parallelen zu heutigen Auswanderungsentwicklungen sind unübersehbar.

Das Projekt TRAFO orientiert sich an Fragestellungen wie: • Was bedeutet diese Musik für die Regionen heute? • Wie können Musik in Kultur und Alltag dazu beitragen, dass ein neues Gemeinschaftsempfinden entsteht und der Zusammenhalt wächst? • Wie können beide Musikantenmuseen auf der Burg Lichtenberg und in Mackenbach in diesen Prozess eingebunden werden und welche Rolle können sie zukünftig wahrnehmen? Zum Start hat der Kirchenkreis Obere Nahe, unter Leitung von Roland Lißmann gemeinsam mit den beiden Landkreisen, ein erstes Projekt mit dem Thema „Werke zu Flucht und Ankunft“ arrangiert.

Einführende Lesungen mit Musik schufen eine eindringliche, besinnliche aber auch fröhliche Auseinandersetzung mit der historischen Vergangenheit. Barbara Seeliger trug Texte vor, die von Paul Engel und Dieter Zenglein sorgfältig ausgewählt worden waren. Texte und Musik der Wandermusikanten nach Aufzeichnungen von Paul Engel, Elvir Held und Werner Schneider fanden im Publikum vereinzelt Kenner der "Musikantensprache".

Antje Scotti-Pollman Violine, Birgit Alter, Albert Petek Gitarre und Werner Leist Bassgitarre, ließen die Kompositionen aus der alten Heimat beschwingt anklingen. Am kommenden Wochenende werden der Kammerchor Obere Nahe, das Barockorchester L`Arpa Festante und die Figurentheatermeisterin Franziska Merkel viele Episoden und Erlebnisse der Wandermusikanten, begleitend in Form eines Schattentheaters, in Szene setzen und den Zuschauern ein überraschendes Musikerlebnis präsentieren.

Als Höhepunkt gilt der Auftritt des Flötisten Giora Feidmann. Wie kein anderer ist er einer der letzten Zeugen der Wandermusikantentradition des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Sein Vater und Großvater zogen als Klesmorim durch die jüdischen Gemeinden in Bessarabien. Die Wandermusikanten hatten auf ihren weltweiten Reisen Begegnungen mit ihren jüdischen Kollegen. Dadurch entwickelte sich ein spezieller Sprachkodex der viele jüdische Elemente enthielt. Sie wurden als „Leebscher“ oder „Kleebscher“ bezeichnet. Sein Vater unterrichtete ihn als Kind und nahm ihn in seiner Kapelle als Klarinettist mit, ganz so wie die jungen Wandermusikanten - den „Osterbuben“ – die bereits 14-jährig aus den Dörfern in die Fremde mitzogen.

„Lang lebe Giora, seine Klarinette und seine Musik! Er schlägt Brücken zwischen Generationen, Kulturen und Schichten, und er tut es mit vollendeter Kunst!“ beschrieb Leonard Bernstein einmal den großen Klarinettisten. In den Konzerten am 23.8. in Birkenfeld, 24.8. in Idar-Oberstein und 25.8. in Offenbach-Hundheim, kommt es wieder zu einer Begegnung der Musik der beiden großen Wandermusikantentraditionen. Weitere Infos: www.obere-nahe.de www.ticket-regional.de sowie Vorverkaufsstellen: Bürgerbüro der Kreisverwaltung, Haus Pfälzer Bergland (Revilo) Kusel oder am Bahnhof Mobilitätszentrale "Hin & Weg". Telefon 06381- 424 496 oder 99 69 552. (P.S.)

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